Something is Going Wrong in IT.
Anfang der 60er Jahre wurden zum ersten Mal in der damals jungen elektronischen Datenverarbeitung, EDV, mit den Begriffen Hardware und Software gearbeitet. Wer die Entwicklung beider Bereiche seit dem verfolgt, müßte erstaunt sein über deren unterschiedliche Entwicklung.
Die Hardware entwickelte sich sowohl in ihrem Volumen als auch von ihrem Preis her vom Gigantischen zum mikroskopisch Kleinen. Als Beispiel dafür sei der erste größere Rechner von H. Nixdorf aufgeführt. Nixdorf´s so genannter Elektronen Multiplizierer EM23 leistete weniger als der kleinste der heutigen Taschenrechner. In einem schrankgroßen Gehäuse heizten mehr als 1200 Radioröhren den „Maschinenraum“, so nannte man damals die Rechenzentren, auf tropische Temperaturen. Der Preis des EM23 lag bei ca. DM 200.000,-.
Im Gegensatz dazu waren die Beträge, die für die Software aufgewandt wurden, peanuts.
Beispiel: In der ersten Hälfte der 60er Jahre stellte z.B. eine Großbank ihre Wertpapierabrechnung und –verwaltung auf eine Magnetbandanlage um, deren Preis bei DM 1,8 Mio. lag. Die Programme für dieses Arbeitsgebiet wurden von ca. 5 Mitarbeiter in etwa 6 Monaten geschrieben. ( DM 100.000 – 150.00) Dabei ist zu beachten, daß diese Programmierer vorher noch nie ein Programm geschrieben hatten. Ihre wesentliche Erfahrung bestand jedoch darin, daß sie vor ihrer Schulung zum Programmierer etliche Jahre in der Wertpapierabteilung gearbeitet hatten.
Die auch damals bereits notwendige Betriebssystemsoftware war einschließlich der Compiler und verschiedener Generatoren im Preis der Hardware enthalten. Sie wurden vom Hardwarelieferanten erstellt und „gratis“ mitgeliefert.
In der Hardware nutzten die Entwickler ihre Erfahrungen aus jeder Rechnergeneration, um die Funktionalität zu verbessern und die Bauelemente zu verkleinern. Gleichzeitig wurde dabei die Fertigung rationalisiert. Aus den elitären Computern der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden preiswerte und für jedermann erschwingliche Volksrechner, die in der Mehrzahl aller Haushalte anzutreffen sind.
Im Softwarebereich verlief die Entwicklung genau entgegengesetzt. Die Programme wurden immer mächtiger und teurer. Rationalisierungseffekte sind in der Softwareerstellung nicht eingetreten. In der Fachliteratur wird sogar die Meinung vertreten, daß die Produktivität in der Softwareentwicklung eher ab- als zunimmt.
Dem Autor ist kein technischer Bereich bekannt, der sich über mehr als 40 Jahre mit der gleichen Produktgruppe beschäftigt, ohne daß merkliche Rationalisierungserfolge erreicht werden. Bis zu Beginn der 80er Jahre, der Hochblüte der so genannten Mainframe Anlagen, schien es so, als ob ingenieurmäßiges Denken in der Softwareentwicklung Einzug halten würde. Der Begriff Software Engineering, SE, war in. Die Programmiersprachen reduzierten sich auf einige wenige, für die internationale Normen gesetzt wurden. Die Sprachen selbst entfernten sich immer mehr von der Rechnerlogik und entwickelten sich unter dem Begriff 4GL (Four Generation Language) zu Problembeschreibungssprachen, die durch gute Compiler für unterschiedliche Hardware und Betriebssysteme in lauffähigen Maschinencode umgesetzt wurden. Es wurden Normen für die Programmstruktur und die Dokumentationen definiert, die sogar verbreitet angewandt wurden. In den Programmierabteilungen sammelte sich ein Humankapital an Erfahrung an.
Mit dem Einnisten der PCs in den Räumen außerhalb der Rechenzentren wurden die Erfahrungen aus der Mainstream-Ära wie in einer Kulturrevolution zerschlagen. Die PC-Freaks bastelten sich ihre eigenen isolierten Lösungen, für die niemand einen organisatorischen und entwicklungstechnischen Rahmen vorgab.
Zur Zeit wird versucht, die in den Unternehmen vorhandenen unterschiedlichen Software- und Hardwarelösungen durch softwaretechnische Krücken (z.B. EAI) am Laufen zu halten. In der Fachliteratur ist nicht zu beobachten, daß man die augenblickliche Arbeitsweise in Frage stellt und nach einer rationaleren und produktiveren Softwareentwicklung sucht.
Es ist an der Zeit, daß sich Rationalisierungsspezialisten aus dem industriellen Fertigungsbereich den Arbeitsmethoden der Informatiker annehmen. Programme zu erstellen ist eine Sache, dies kostengünstig, von hoher Qualität und trotzdem termingerecht ist eine andere. Solange die Informatiker der Überzeugung sind, daß das Produkt Software mit keinem anderen zu vergleichen ist, und dabei nicht begreifen , daß so unterschiedliche Produkte wie ein Düsenflugzeug und ein Kühlschrank gleichwohl nach den gleichen Fertigungsprinzipien erstellt werden, so lange werden sie auch nicht bereit sein, von anderen zu lernen.
© Hürten-Partner, Blankenheim, August 2003-07-31
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